22. Juni 2020
Geschrieben von: Max Lehmann

Die Umsatzsteuersenkung kommt! Mehraufwand oder Hilfe für das Handwerk?

Was Du als Handwerker über Vorteile und Probleme der geplanten Umsatzsteuersenkung zum 01. Juli wissen musst, welche Auswirkungen diese auf Unternehmen und Kunden hat und wieso es wichtig ist, jetzt schon mit der Umsetzung anzufangen.

Im Zuge des Lockdowns aufgrund der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung ein enormes Konjunkturpaket von 130 Milliarden Euro beschlossen. Darin enthalten ist die geplante Senkung der Umsatzsteuer (= Mehrwertsteuer) um 3 % im normalen und 2 % im ermäßigten Steuersatz ab 01. Juli 2020. Zwar fehlt noch das entscheidende Gesetzgebungsverfahren mit detaillierter Ausarbeitung, allerdings steht bereits ein Kostenrahmen sowie eine zeitliche Begrenzung der Steuersenkung fest.

20 Milliarden Euro sind eingeplant für den Zeitraum vom 01. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020. Was sich zuerst gut liest, veranlasst jedoch immer mehr Handwerksunternehmer sich kritisch zur geplanten Hilfe zu äußern. Was bedeutet die Umsatzsteuersenkung für das Handwerk? Auf was bezieht sie sich genau? Wer soll davon profitieren? Welche Auswirkungen hat das für meinen Handwerksbetrieb? Wir klären im Folgenden auf und ordnen ein.

Fakten und Zahlen zur Umsatzsteuersenkung im Handwerk.

  • Umsatzsteuersenkung von 19 % auf 16 % (im ermäßigten Falle von 7 % auf 5 %)

  • Temporär vom 01.07.2020 bis 31.12.2020

Das Vorhaben soll dabei helfen, die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Lockdowns zu verringern und die Konjunktur wieder anzukurbeln. Auf der einen Seite sollen Unternehmen dadurch ihre Preise senken, um die Nachfrage von Produkt und Dienstleistung zu erhöhen und auf der anderen Seite sollen Kunden dazu angetrieben werden, durch billigere Preise mehr konsumieren zu können. Die genauen Ausarbeitungen werden in den kommenden Wochen erwartet. Außerdem fehlt eine endgültige Zustimmung von Bundesrat, dem Parlament sowie der EU-Kommission.

Wichtig ist der Leistungszeitpunkt nicht der Leistungszeitraum.

Grundsätzlich gelten die neuen Steuersätze für alle Umsätze des Handwerksbetriebes, die in dem weiter oben genannten Zeitraum (01.07.2020 bis 31.12.2020) erbracht werden. Als erbracht gilt der Umsatz dann, wenn die vertraglich geschuldete Aufgabe ausgeführt oder vollständig beendet ist. Zu diesem Zeitpunkt entscheidet sich, ob der alte oder neue Steuersatz herangezogen werden muss: bei Lieferungen am Tag der Beförderung, bei Werkslieferungen der Tag der Entgegennahme und bei Dienstleistungen nach der Abnahme des Kunden. Dasselbe gilt auch für vertraglich geregelte Teilleistungen, zum Beispiel bei Bauvorhaben oder Mietverträgen. Nicht ausschlaggebend für die Anwendung des neuen Steuersatzes ist:

  • zu welchem Zeitpunkt die Rechnung gestellt wird

  • ob ein Unternehmer die Soll- oder Ist-Versteuerung benutzt

  • ob der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet

  • ob ein Handwerksunternehmer seine Umsatzsteuer-Voranmeldungen monatlich oder vierteljährlich beim Finanzamt abgibt

  • wann genau der Kunde die Rechnung bezahlt oder der Unternehmer das Geld vereinnahmt

Das Vorgehen bei Anzahlungen.

Aufgepasst werden muss hier bei Anzahlungen, die vor dem 01.07.2020 zum 19 %-Satz gemacht worden sind. Werden die Vorhaben im Zeitraum des neuen 16 %-Umsatzsteuersatzes beendet oder kommen neue Anzahlungen hinzu, sind die gezahlten Steuern in der Schlussrechnung sowie in der Umsatzsteuer-Voranmeldung zu korrigieren. Für diese Situationen hat das Bundesfinanzministerium einen ersten Lösungsentwurf vorgelegt. Darin wird hervorgehoben, dass Anzahlungen, die vor dem 01. Juli vereinnahmt worden sind, nicht beanstandet werden, falls diese schon den neuen 16 % - Steuersatz enthielten.

Eine Korrektur in der Schlussrechnung solle dann nicht mehr nötig sein. Jedoch muss hier noch die Entscheidung der einzelnen Länder abgewartet werden, den Vorschlag des Finanzministeriums umzusetzen.

Ein Beispiel: Ein Bauunternehmer soll für einen Kunden ein neues Gebäude bauen, veranschlagt mit einem Preis von 170.000 Euro zzgl. Umsatzsteuer. Der Kunde hat darauf im Februar und Mai Anzahlungen von rund 30.000 Euro plus Umsatzsteuer von 19 % getätigt. Im Juli kommt eine weitere Anzahlung hinzu und im November ist das Gebäude fertiggestellt. Der Unternehmer muss sowohl die beiden Anzahlungen vor Juli mit dem 19 %-Satz als auch die Anzahlung im Juli, plus der Endrechnung, mit dem 16 %-Satz abrechnen. Das geschieht in der Schlussrechnung und in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für November 2020.

Probleme und Fallstricke für das Handwerk.

Die Realität der Umsatzsteuersenkung im Handwerk ist leider kompliziert und hält einige Fallstricke bereit. Ein Problem ergibt sich aus der Abrechnung mit verschiedenen Steuersätzen bei ein und demselben Auftrag. Bei Handwerksbranchen wie dem Bau- oder Dachdeckergewerbe, bei denen sich Aufträge über einen längeren Zeitraum erstrecken, ist die Sachlage kompliziert.

  • Werden Aufträge außerhalb des Steuersenkungszeitraums angenommen (19 %) und innerhalb fertiggestellt (16 %), müssen zwei Steuersätze berücksichtigt werden.

  • Das Gleiche gilt für Aufträge, die innerhalb der festgelegten Zeitspanne angenommen (16 %) und außerhalb beendet werden (19 %).

Unübersichtliche und komplizierte Situationen für Handwerksunternehmer sind hier vorprogrammiert und können zu Problemen mit dem Finanzamt führen. Zum anderen könnten Kunden probieren Aufträge nach hinten zu verschieben, um Kosten zu sparen, was wiederum Kostenplanungen durcheinanderbringt.

Auswirkungen der Steuersenkung und das Dilemma als Unternehmer.

Ein weiteres Problem besteht in der Forderung, die Steuersenkung eins zu eins an den Kunden weiterzugeben und die Produkte und Dienstleistungen tatsächlich billiger zu machen. Gesetzlich ist kein Betrieb daran gebunden. Die Entscheidung liegt beim Unternehmer, sich für den Kunden oder die 3 % als Gewinn auszusprechen. Aufgrund der schwierigen finanziellen Lage in der Corona-Zeit erscheint Letzteres nicht abwegig. Nichtsdestotrotz bedeutet die Umsatzsteuersenkung für das Handwerk einen erheblichen Mehraufwand.

Kassen- und Abrechnungssysteme in Handwerksbetrieben müssen an den neuen Satz angepasst und neue Preise ausgeschrieben werden, um Aufträge rückwirkend ordnungsgemäß abzurechnen, damit kein Ärger vom Finanzamt droht. Ob der Nutzen aus der Steuersenkung höher ist als der Abrechnungsaufwand wird sich zeigen müssen.

Handwerksunternehmer wie Jürgen Sieber aus dem Fensterbau äußern auf sozialen Netzwerken ihre Bedenken zu der geplanten Senkung (link).
Er ginge davon aus, dass die geplante Maßnahme im Ausbauhandwerk keine Hilfe sein wird. Ein Teil der Kunden werde Rechnungen erst ab Juli haben wollen und im Dezember erwarte er ein „Konjunkturfieber“, auf das im Neujahr eine Konjunkturdelle folgen könnte. Dazu kommt der nicht von der Hand zu weisende bürokratische Aufwand für eine temporäre Umsatzsteuersenkung, besonders in den Übergangszeiten. Allerdings muss hier beachtet werden, dass die Maßnahmen noch nicht gesetzlich beschlossen und ausgearbeitet sind.

Wie Du Dich vorbereiten kannst.

Auf jeden Fall ist es sinnvoll früh genug mit der Umstellung auf den neuen Steuersatz zu beginnen. Ein erster Schritt wäre womöglich Verträge zu sortieren, die noch vor dem 01. Juli abgerechnet werden können. Zugleich sollte geschaut werden, welche Aufträge in den Zeitraum vom 01. Juli bis zum 31. Dezember hineinreichen könnten. Hierbei kann auch ein Steuerberater helfen, um immer den Überblick zu behalten. Außerdem ist es wichtig, Kassen- und IT-Systeme auf den neuen Steuersatz umzustellen.

Dabei kann die Hilfe vom Hersteller nötig sein, weshalb es sich lohnt, diese früh zu kontaktieren. Eine weitere Möglichkeit ergibt sich aus Teilleistungsverträgen mit Kunden bei längerfristigen Arbeiten. Das verkürzt den Abrechnungszeitraum und kann somit für mehr Übersicht im Nachhinein sorgen.

Max Lehmann Redakteur @craftnote

Passionierter Schreiber und Student mit einem Fokus auf Themen zum Handwerk